8. Ein Fazit als Handlungsempfehlung

Bild des VerfassersBürger sind in Aufruhr, Panik macht sich breit. Das kann zwei Gründe haben: Entweder sind die Benzinpreise erneut um 6 Pfennige angestiegen, oder es wird wieder über eine neue Umweltkatastrophe berichtet. Die Bürger setzen den Staat in Zugzwang. Die Angst um die Natur hat heute den selben Stellenwert, wie die Angst arbeitslos zu werden. Die Natur muß gerettet und der Wohlstand gesichert werden. Die Umwelt soll zwar um jeden Preis, aber doch möglichst günstig vor der vollkommenen Zerstörung bewahrt werden. So macht uns auch die Industrie deutlich klar, daß eine härtere umweltpolitische Richtung durch die amtierende Bundesregierung Arbeitsplätze vernichtet und die Wirtschaft in immense Schwierigkeiten bringt. Da gibt es eine ökologische Steuerreform, die der Industrie gegenüber dem Einzelhaushalt enorme Rabatte einräumt, einen Umweltschutzminister, der die europäische Verordnung zur Altauto-Rücknahme im letzten Moment kippt, und vieles mehr. Der Schritt zur sozialen ökologischen Marktwirtschaft muß gewagt werden. Doch Maßnahmen, die heute beschlossen werden, beschränken die Bürger in der aktuellen Wahlperiode und könnten eine kommende Bundesregierung die Früchte ernten lassen. Ein Grund, warum gerade Verordnungen und Gesetze für den Umweltschutz erlassen werden, ist, daß der Bürger direkt wahrnehmen kann, welcher Gefahr er demnächst nicht mehr ausgesetzt ist. Andere, vielver-sprechendere umweltökonomische Instrumente, wie z.B. die Zertifikatspolitik, beschränken zum Zeitpunkt der Einführung den industriellen Handlungsrahmen nur und sind in dieser Hinsicht auch für Produktionseinbußen durch den Wegfall des bisher günstigsten Produktionsprozesses aufgrund von Umweltbestimmungen verantwortlich. Der Bürger wird sich bei den nächsten Wahlen daran erinnern. Um sein Verständnis zu erhalten, muß der Staat seine Umweltpolitik dem Bürger erklären können. Es darf nicht mehr von Kosten für den Umweltschutz, es muß viel eher von ermittelten Kosten aufgrund fehlenden Umweltschutzes gesprochen werden. Der Natur muß ein Preis zugestanden werden, der dem Bürger klar macht, wie sich die soziale Wohlfahrt der Bundesrepublik Deutschland im Laufe eines Jahres insgesamt verändert hat. Die Umweltgüter (Luft, Wasser, Boden) müssen hier die ihnen zustehende Stellung erhalten. Mit Hinblick auf die Steigerungsmöglichkeiten der sozialen Wohlfahrt sind auch die umweltpolitischen Instrumente besser zu verdeutlichen. Der Bürger muß verstehen, daß die Umwelt einen Preis hat. Er wird dann auch in höherem Maße bereit sein, aufgrund von Umweltkosten mit höheren Produktpreisen konfrontriert zu werden, und bereitwilliger nötigen Konsumverzicht üben. Auf der anderen Seite wird der Bürger durch politische Umweltaufklärung darauf aufmerksam gemacht, daß das Kollektivgut Umwelt gefährdet ist. Er wird mehr hinterfragen und Umweltaktivitäten von Staat und Unternehmen mit Wohlwollen beobachten. In diesen Punkt setzt das Öko-Audit der europäischen Union an, das, wie seit Jahren in Japan praktiziert, besonders umweltfreundliche Unternehmen der Öffentlichkeit bekannt machen will, um dadurch dem Betrieb bessere Marktchancen einzuräumen. Ein anderer Schritt in dieser Richtung ist, das umweltschonende Handeln dem Verbraucher zu überlassen, indem ihm umweltschonende Produkte vorgestellt werden. Er kann mit diesen Handlungsempfehlungen sein ökologisches Gewissen beruhigen. Aufgrund diesen Gedankens entwickelte die Bundesregierung 1977 das Umweltzeichen “Blauer Engel”, welches den Bürger auf besonders umweltschonende Produktalternativen hinweisen soll. Der “Blaue Engel” bringt dem Verbraucher sichere, transparent gehaltene Informationen, da er äußerst verständlich den Umweltnutzen mit der Aussage “Umweltzeichen, weil...”erklärt.1 Dieses von Unternehmen und privaten Haushalten akzeptierte, weltweit bekannteste Umweltzeichen kennen in Deutschland jedoch gerade mal 50% der Bevölkerung. Der Staat hat ein funktionierendes freiwilliges Marktinstrument geschaffen, scheint aber kaum Wert auf eine Steigerung seiner Handlungsmöglichkeiten zu legen. So muß er auch gerade von der zeichennutzenden Industrie herbe Kritik gegenüber dem “Blauen Engel” entgegen nehmen. Man bemängelt, daß für den “Blauen Engel” die staatliche Informationspolitik sehr zurückhaltend ist.2 Aufgrund der hohen Marktakzeptanz eines mit Umweltzeichen akkreditierten umweltschonenden Produktes entwickelte die Industrie ihre eigenen Ökolabel, die Produkten den Zusatznutzen “Umwelt” zusprechen sollen. Es entstanden Ökolabel, die von Verbänden und Industrie aufgrund unterschiedlichster Richtlinien vergeben wurden. Der Verbraucher verlor den Marktüberblick und konnte den umweltschonenden Produkten nicht mehr den ihnen zustehenden Zusatznutzen “Umwelt” zuordnen. Politische Handlungsalternativen, die über die bestehende Gesetzgebung hinausgingen (UWG), waren gefordert, um dieser Labelflut entgegen zu treten. Die EG-Öko-Verord-nung wurde 1991 für den ökologischen Landbau verabschiedet, und von der SPD wird seit 1996 ein Label gefordert, das entweder bundes- oder auch europaweite Gültigkeit besitzt. Im ökologischen Landbau wurde die Labelflut stark eingeschränkt, da selbst Umweltschonung assozierende Begriffe wie “öko” oder “bio” auf einmal für den ökologischen Landbau geschützt waren. Leider wartet man in anderen Bereichen wie z.B. der Textilindustrie, wo diese Produktlabel als “grüne Piraten” bezeichnet werden, noch immer auf eine solche Grundsteinlegung. Statt dessen entwickelt man als europäische Wirtschaftsvereinigung ein weiteres Umweltzeichen, welches wegen seiner fehlenden Unabhängigkeit nicht die Möglichkeit hat wirkliche umweltschonende Anforderungen zu erfüllen. Beim deutschen Umweltzeichen sehen diese Grundvoraussetzungen bei weitem positiver aus. Das Entscheidungsgremium, die Jury Umweltzeichen, und jene Stelle, die das Zertifikat gegen Gebühr erteilt, das Deutsche Institut für Gütesicherung und Kennzeichnung, arbeiten von einander getrennt,3 wodurch auch kein Interessenkonflikt zwischen Zeichenbewilligern und Abgabenverwaltung entstehen kann. Außerdem kommt die Frage auf, warum nicht das Umweltzeichen generell als europäisches Ökolabel übernommen wird. Schließlich war es schon vor 1977 ein weltweit gültiges Umweltemblem. Bundesweit stellt sich der “Blaue Engel” einigen selbsternannten Begrenzungen. So will es nicht auf ökologischen Teilmärkten fungieren, die bereits für den Verbraucher transparent gehaltene Umweltinformationen über Produkte beinhalten. Das beste Beispiel hierfür ist der Biomarkt. Auf diesem Markt hat sich die AGÖL für den ökologischen Landbau stark gemacht, und durch die EG-Öko-Verordnung von Trittbrettfahrern bereinigt. So wurde ein klar definierter Markt umweltschonender Produkte und unterschiedlicher Qualitätsstufen mit entworfen. Ein staatliches Ökolabel kann in diesen Rahmen nur schwer integriert werden, vor allem, wo es geschafft wurde, in diesem Jahr, das einheitliche deutsche Öko-Prüfzeichen ins Leben zu rufen. Positive staatliche Aktivitäten wurden von den Bundesländern Sachsen, Bayern und Thüringen entwickelt. Da gerade auch die regionale Herkunft von Bioprodukten wichtig ist, forderten sie mit entsprechenden Zeicheninitiativen und unter Zusammenarbeit der hiesigen AGÖL Mitgliedsverbände den dortigen ökologischen Landbau. Der regional gehaltene ökologische Landbau wird gerade in Deutschland besonders förderungswürdig sein. Hier ist ein Miteinander zwischen Staat und Verbänden mehr gefragt, als das gegenseitige konkurrieren durch unterschiedliche Ökolabel. Man muß bedenken, daß manch glaubwürdiges Umweltzeichen durch viele Jahre Verbandsarbeit, bei der IFOAM waren es zehn Jahre, entstanden ist. Der Staat hat sein eigenes Umweltzeichen 1977 entwickelt. Ein förderungswürdiges Marktinstrument, das gerade da seinen Einsatz findet, wo kein ökologischer Teilmarkt mit der entsprechenden Möglichkeit zur Kennzeichnung ökologischer Produkte gegeben ist. Auf Teilmärkten, wo sich ökologische Marktmöglichkeiten entwickelt haben, sind Gesetze zu begrüßen, die den umweltbewußten Verbraucher wie auch ökologisch ausgerichtete Unternehmen vor Trittbrettfahrern schützen, die den Verbraucher verunsichern und bei wirklich umweltschonenden Produkten zu Kaufzurückhaltung führen können, da diese nicht mehr differenziert zu anderen Produkten gesehen werden können. Sowohl die EU, als auch die deutsche Gesetzgebung sollten sich weiter damit beschäftigen europaweit einheitliche Kriterien aufzubauen, die dem Wildwuchs z.B. auf dem Naturtextilienmarkt entgegen wirken können.4 Allgemein ist dem Bürger deutlich zu machen, was die Umwelt wert ist. Er sollte zu dem Gedanken befähigt werden, die sozialen Kosten mit einzukalkulieren, um eventuell bei elektrischen Dosenöffnern und Wegwerfkameras auch mal Konsumverzicht walten zu lassen. Das ökologische Produkt darf auch nicht als Konsumlösung des Umweltschutzes hochgehalten werden, da es immer nur die Fähigkeit besitzen wird, die Umwelt weniger als vergleichbare Produkte zu belasten. Allgemein sollte die Standardisierung des Informationsangebotes weiter vorangetrieben werden. Wirtschaftsgemeinschaften, wie z.B. die Europäische Union, sind dazu nicht geeignet, da die gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen vor den Interessen des Verbraucherschutzes stehen. Dem europäischen Konsensprinzip folgend, orientieren sich die Anforderungen weniger am ökologischen, als vielmehr an den Möglichkeiten der einzelnen Mitgliedsstaaten, die gesetzten Akkreditierungsbestimmungen erfüllen zu können.5 So kommt mit der Euro-Margerite ein sehr weiches Ökolabel auf den Markt, das die bestehende Verunsicherung beim Verbraucher nur weiter ansteigen lassen kann.6 Jedes eingeführte staatliche Umweltzeichen muß politische Unabhängigkeit erhalten, durch Vertreter der unterschiedlichsten Lobbies glaubwürdig sein und dem Verbraucher ein Umwelt-, wie auch ein Garantieversprechen geben können, das diesem einen transparent gehaltenen Umwelt- und Produktnutzen deutlich macht. In dieser Hinsicht wäre zum einen die Einführung von Produktbilanzen, zum anderen eine engere Zusammenarbeit mit Verbänden, wie die Stiftung Warentest zu empfehlen. Ein eigenes EU-Umweltzeichen, das im Einigungsprozeß aller europäischer Länder so weit zurecht gestutzt wird, daß es für alle Mitgliedsstaaten annehmbar ist,7 wird den Verbraucher nur weiter irritieren. Nicht das Interesse der Mitgliedsstaaten, sondern der Wunsch des Konsumenten, die Umwelt und auch seine Gesundheit zu schützen, muß durch besondere gesetzliche Rahmenrichtlinien unterstützt und gefördert werden.8 Sollte dieser grundlegende Konsens mit der EU gefunden werden, kann auch über die weitere Verbreitung des europäischen Umweltzeichen, in Form einer Margerite, nachgedacht werden. Obwohl das weltweit erfolgreichste Umweltzeichen zur freien Verfügung für alle UN-Mitgliedsstaaten steht.9 Schließlich reden alle von Globalisierung.


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1Vgl. Umweltbundesamt (1997): Umweltzeichen Richtlinien 1991, S. 1.

2Vgl. Wendorf, Gabriele (1994): Umweltzeichen im Spannungsfeld zwischen Konsumenten und Unternehmen, S. 146.

3Vgl. natur (11/1998): Was der Blaue Engel dem Käufer bringt, S. 22.

4Vgl. bioFach Nr. 16 (1998): Ob glasklar draufsteht, was drin ist?, S. 33.

5Vgl. Verbraucher Rundschau (9/1994): Warenkennzeichnung - alles klar?, S. 12.

6Vgl. Öko-Test (5/1994): TEST Prüfsiegel, S. 50.

7Vgl. Öko-Test Nr. 5 (1994): Test Prüfsiegel, S. 50.

8Vgl. Carlton, W. D.; Perloff, J. M. (1996): Law and Economies oft the Environment, S. 180.

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